Skulpturenpark

Wir beschreiben einen Besuch des Skulpturenparks Susann Höfer. Die meisten Objekte der Künstlerin befinden sich in Haus und Garten der Villa Zandoli in Kassel.

Von der Straße kommend schreiten wir über die Hofeinfahrt und nähern uns dem Haupteingang der Villa Zandoli, ein Gebäude aus der Gründerzeit, gebaut um 1898.
Vor dem Portal bemerkt der aufmerksame Besucher gleich die beiden Skulpturen rechts und links neben der Tür. Die beiden Figuren zwingen den Besucher zu einer Entscheidung, ob er sich zuerst der westlichen Figur „Die Leserin“ zuwenden soll oder der östlichen Figur „Hans guck in die Luft“. Die beiden nehmen den Besucher somit sanft in die Zange. Er kann sich immer nur einer Figur zuwenden und muss der anderen den Rücken zukehren. Doch die gutmütigen Gesichter der Gestalten schaffen Vertrauen, die jeweils andere Figur außer Betracht zu lassen. Die Gesichter stellen auch dar, dass die Figuren mit sich und der Kunst beschäftigt sind und sich dem Besucher nur indirekt zuwenden.

Portal mit „Leserin“ und „Hans guck in die Luft“

Die beiden Plastiken drücken eines aus: Zeit.
Der Besucher des Hauses soll sich die Zeit und Ruhe nehmen, die Werke der Künstlerin Susann Höfer und das Ambiente des Gründerzeithauses und nicht zuletzt den Garten zu betrachten und zu genießen.
Hier sei darauf verwiesen, dass im Gebäude und dem Garten der Villa Zandoli auch Werke anderer Künstler zeitweise ausgestellt werden, insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Maler Hanns-Jörg Schwardmann und der Malerin und Bildhauerin Bele Kreiß ist hier zu betonen. Jeweils zu den Zeiten der Documenta Kassel dient das Haus auch jeweils zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern als Galerie.

Was drückt „Zeit haben“ besser aus als die Figur einer Leserin, die sich in ihr Buch vertieft? Sie liest ein Buch im stehen. Oder ist es nur ein Nachschlagewerk? Es mutet als Aufforderung an, sich den kommenden Kunstobjekten intensiv zuzuwenden und sogar Einzelheiten der Objekte oder Informationen zu den Intensionen der Werke nachzulesen.

„Die Leserin“

Sie liest das Buch im stehen. Es ist also die Aufforderung, direkt bei den Objekten in Details zu gehen, sofort die Fragen dazu zu klären und nicht auf die nächste Sitzgelegenheit zu warten. Natürlich ist es auch eine Anspielung auf den Genuss eines Gartens im Sonnenlicht.
Sie liest das Buch nackt. Es wird also keine Mühe in Nebensächlichkeiten gesteckt sondern sich ganz auf die künstlerischen Inhalte der Umgebung konzentriert. Mit dem Buch und der Nacktheit wird ebenso dargestellt, dass hier kein Platz für Handys, Smartphones oder Zigaretten ist (das Fehlen von Taschen). Das Buch steht für die konservative Art der Kunstaufnahme mit gleichzeitiger Archivfunktion.

Sockel der „Leserin“ mit Inschrift

Der Standort / Sockel der „Leserin“ inklusive deren Blickrichtung gibt auch den Hinweis auf die Bedeutung des örtlichen Umfelds. Der Sockel der „Leserin“ ist der Grundstein des Gründerzeithauses mit der Inschrift des Jahres der Erbauung und den Namen der Architekten Sander & Köhler. Bauherr war Prof. Dr. Ulrici. In der Kasseler Denkmal-topographie wird das Haus als „typisch gründerzeitlicher Zinshausbau mit Vorhangbogendekoration und Rahmentür“ aufgeführt.

Der Gegenüber der „Leserin“ „Hans guck in die Luft“ sitzt auf der Klingelsäule und schaut auf die historische Steinmetzkunst über dem Portal. Er schaut einfach. Damit gibt es natürlich auch den Hinweis, dass es dort über dem Portal etwas zu sehen gibt. Die Sitzhaltung drückt Ruhe und Lässigkeit aus und fordert den Besucher auf, es ihm gleichzutun. Hände und Beine sind in entspannter Haltung und kein Ansatz einer Tätigkeit ist erkennbar. Der Besucher möge sich der Umgebung hingeben und keine Eile entwickeln.
Obwohl die beiden Figuren keinen Augenkontakt haben und sich gegenseitig nicht herausfordern scheinen sie doch ein Paar zu sein. Sie sind sich einig im Hinweis an die Besucher, sich den Kunstwerken und dem Ambiente intensiv zu widmen und sich nicht von anderen Personen ablenken zu lassen.

Die beiden Werke sind aus grobkörnigem hellen Ton ohne Anstrich. Manche Körperteile sind weniger ausgeprägt. Insbesondere die Gesichter, die hier maßgeblich diese Hinweisfunktion darstellen, sind demgegenüber feingliedriger ausgearbeitet, um die innere Einstellung der Figuren darzustellen. Bereits diese beiden Merkmale gewichten die Ausdruckskraft. Die Funktionen der Figuren stehen im Mittelpunkt und weniger die Körper an sich.

Mit dieser Gestaltung des Eingangsbereichs der Villa Zandoli wird dem Besucher also bereits eine Bedienungsanleitung für den Aufenthalt im Haus vermittelt.
Wir schreiten durch das Portal und setzen unseren Rundgang durch den Skulpturenpark im Garten des Hauses fort.